Die Weltbevölkerung wächst kontinuierlich und mit ihr ein unstillbarer Hunger nach Fleisch. Für viele von uns zählt es zu einem unentbehrlichen Teil unserer Ernährung. Die konventionelle Art und Weise der Fleischproduktion beutet unsere Natur, die Tiere, aber auch die Menschen, welche in Schlachthäusern arbeiten, aus und offenbart grausame Schattenseiten des auf dem Grill brutzelnden Burgers. Können wir Fleisch nie wieder ohne ein schlechtes Gewissen konsumieren oder könnte Fleisch aus dem Labor eine umweltschonende Alternative bieten, die trotzdem schmackhaft ist?
Unser Heißhunger auf Fleisch
Die Weltbevölkerung wird sich bis 2050 vermutlich auf knapp 10 Milliarden und bis 2100 auf knapp 11 Milliarden erhöhen. Nicht nur die schiere Anzahl der Menschen stellt einen Grund für die stetig steigende Nachfrage nach Fleisch dar. Immer mehr Menschen profitieren von der wirtschaftlichen Entwicklung und können es sich leisten regelmäßig, gar täglich, Fleisch zu konsumieren. Während 1961 die globale Produktion von Fleisch bei 71,32 Millionen Tonnen Schlachtgewicht lag, stieg sie 2005 auf 257,09 Millionen Tonnen und erreichte 2020 (Prognose) 333 Millionen Tonnen. Das lässt sich auch in dem jährlichen pro Kopf Verbrauch von Fleisch feststellen, welcher 1990 noch bei 33,5 Kilogramm pro Kopf und 2018 bereits bei 42,9 Kilogramm pro Kopf lag. Dieser Heißhunger nach Fleisch hinterlässt zunehmend dramatische Spuren auf unserem Planten.
Die Tierhaltung, ungeachtet dessen, ob sie biologisch oder konventionell betrieben wird, beansprucht mittlerweile 78% der weltweit verfügbaren landwirtschaftlichen Nutzfläche, 8% des globalen Süßwassers und ist für 18% der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Sie befeuert die Entwaldung, die Reduktion der Biodiversität und stellt, durch den großen Einsatz von Antibiotika, eine Brutstätte für multiresistente Keime dar. Dazu kommen ethische Aspekte, da die konventionelle Tierhaltung oft mit immensem Leid der Tiere und belastenden Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter in Schlachthäusern verbunden ist.
Gibt es Hoffnung für den Frühstücksspeck?
2013 verbreitete sich die Nachricht, dass aus im Labor gezüchteten Fleisch ein Hamburger hergestellt wurde. Mittlerweile erforscht eine große Anzahl an Start-ups weltweit die Möglichkeit der Produktion von sauberem Fleisch aus dem Labor, sowie an wirtschaftlichen Produktionsmethoden für einen industriellen Einsatz. Dieser Ansatz bietet verschiedene Vorteile. So könnte man beispielsweise ausschließlich jenes Gewebe und jene Zellen züchten, die auch tatsächlich benötigt werden. Die Schlachtausbeute von Rindern liegt zwischen 50 – 60%, was nichts anderes heißt, wie dass ungefähr die Hälfte des Tieres weggeworfen wird (Haare, Innereien, Hufe usw.). Zudem lässt sich biotechnologisch hergestelltes Fleisch leichter ohne massiven Einsatz von Antibiotika herstellen. Die belastende Situation in konventionellen Schlachthäusern würde ebenso entfallen. Positive Effekte lassen sich durch das Entfallen von Transportwegen, geringerer Wasserverbrauch, Wegfallen des Methans und das Problem der Entsorgung von Ausscheidungen der Tiere feststellen. Zudem kann die Produktion bedarfsgerecht erfolgen und benötigt wesentlich weniger Zeit, als beispielsweise die Aufzucht eines Rindes. In den letzten Jahren hat sich in der Forschung einiges getan und seit Dezember 2020 ist in Singapur sogar ein Produkt zum Verkauf zugelassen. Haben wir damit das Problem des Welthungers gelöst und wie züchtet man überhaupt Fleisch aus dem Labor?
Wie entsteht der Burgerpaddy im Labor?
Die Technologie, auf welcher der clean meat Ansatz aufbaut, ist bereits seit einiger Zeit im Einsatz. Auf ihr basiert die Kultur von menschlichen Hautzellen, welche als Transplantate bei Brandopfern zum Einsatz kommen. Um die benötigten Zellen zu erlangen, wird dem Tier eine Biopsie entnommen. Das Tier muss hierfür nicht sterben und die Entnahme ist nahezu schmerzfrei. Damit nicht immer wieder neu eine Biopsie entnommen wird, nutzt man die pluripotente Stammzellen der Probe, aus welchen sich anschließend Muskelzellen differenzieren und heranwachsen. In Zukunft könnte man Zellbanken aufbauen, sodass keine oder nur sehr wenige Biopsien von lebenden Tieren entnommen werden müssen. Es gibt mittlerweile verschiedene Techniken und Methoden, um die Zellen zu züchten und zu kultivieren. In der Regel läuft es in etwa so ab: Die aus Stammzellen entstandenen Muskelzellen gibt man in eine Nährstofflösung, in welcher sie sich teilen und vermehren. Es entstehen normale Muskelzellen mit Ausprägung von Muskelfasern, wie es auch im Tier geschehen würde. So kann aus einer relativ kleinen Menge an Probe eine große Menge an Muskelfleisch gezüchtet werden. Die Kulturen werden anschließend in Bioreaktoren überführt. Diese sind große Gefäße aus Edelstahl, in welchen sich eine optimale Umgebung, durch die Imitation der im Tier vorhandenen Bedingungen, erzeugen lässt. Die Temperatur wird ebenso kontrolliert, wie die Zufuhr von Sauerstoff und Nährstoffen. Abfallprodukte werden aus dem System entfernt. Da das System ständig überwacht wird und von der Außenwelt abgeschottet ist, kann auf den Einsatz von Antibiotika weitgehend verzichtet werden. Zum Teil werden durch den Einsatz von elektrischen Impulsen, welche die elektrische Stimulation von Muskelzellen durch Nervenzellen nachahmt, ähnliche Strukturen erzeugt, wie bei einem lebenden Tier. Anschließend werden, ebenfalls im Labor gezüchtete, Fettzellen beigemischt, welche auch ein Bestandteil des konventionell produzierten Fleisches sind (konventionelles Fleisch kann zusätzlich noch Bindegewebe, Blutgefäße und Knochen enthalten). Aus diesem Grund entsteht bislang eher dünnlagiges, sogenanntes unstrukturiertes Fleisch, welches sich am besten zu Hackfleisch verarbeiten lässt. Das dabei entstehende Fleisch ist jedoch durchaus ‚echtes‘ Fleisch, welches mindestens genauso gesund wie konventionelles Fleisch ist. Die Produktion von Steaks und Filets werden größere Herausforderungen, da man hierfür strukturiertes Fleisch in einem stabilen Zellverbund züchten müsste, welches über Kanäle versorgt und ständig trainiert wird.
Ist die Zukunft damit gerettet?
Bis hin zu marktreifen Produkten, die weltweit zugelassen sind und deren Massenproduktion konkurrenzfähig und kosteneffektiv ist, ist noch ein weiter Weg zu gehen, welchen die Regierungen und Unternehmen weltweit begleiten und unterstützen müssen (Regulatorischer Rahmen für die Zulassung, Investitionen in Forschung und Produktion usw.). Wichtige Schritte sind getan, erste Zulassungen gibt es bereits und immer mehr Firmen & Regierungen erkennen den Bedarf und engagieren sich. Trotzdem ist das Produkt nicht komplett tierfrei. Für die Gewinnung der Stammzellen müssten noch immer einige Tiere gehalten werden, welche immer wieder eine Biopsie über sich ergehen lassen müssten. Im Gegensatz zu konventioneller Tierhaltung wären es jedoch sowohl deutlich weniger Tiere, die deutlich geringere Strapazen über sich ergehen lassen müssten. Zudem könnte man diese Tiere besser artgerecht halten. Auch die Aufzucht im Labor greift auf Produkte zurück, die zum Teil tierischen Ursprungs sind. So sterben immer noch jedes Jahr Millionen an Föten für die Gewinnung von Seren, welche ein unverzichtbarer Bestandteil für die Anzucht von Zellen sind. Auch hier gibt es mittlerweile Nährmedien auf Pflanzenbasis. Zudem ist es keineswegs so, dass für die Massenproduktion von Laborfleisch keine Energie notwendig ist. Es existieren verschiedene Hochrechnungen und Modelle zur Ermittlung der Treibhausgase. Manche besagen, dass man für ein Kilo Laborfleisch 2,5 Kilo Nährstoffe aus pflanzlichen Quellen benötigt, im Vergleich zu 10 – 14 Kilo Getreide, die man für die Produktion von einem Kilo Rindfleisch benötigt. Andere Modelle prognostizieren einen ähnlichen Verbrauch an Ressourcen wie bei konventionellem Fleisch auch.
Und nun?
Laborfleisch ist durchaus echtes Fleisch und in Zukunft wahrscheinlich ein konkurrenzfähiges Produkt zu konventionellem Fleisch. Es bleibt abzuwarten, wie gut die Verbraucher das Fleisch annehmen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass es für den Mensch und auch die Umwelt das gesündeste wäre, einfach ein bisschen weniger Fleisch zu essen.